#KIBedenken – Wo steht Bildung in der KI-Debatte? 🤖
Nele Hirsch und Joscha Falck haben im Rahmen einer Blog-Parade dazu eingeladen, über den Fokus der aktuellen KI-Debatte im Bildungsbereich zu diskutieren.
Beide eint eine Neugier und Begeisterung im Ausprobieren von KI-Tools, zeitgleich hadern sie jedoch mit einigen Entwicklungen.
Auch ich mache in diesem Kontext interessante Beobachtungen, die mich nachdenklich stimmen und die ich im Rahmen dieser Diskussion mit euch teilen möchte.
Mein Diskussionsbeitrag ist ziemlich umfangreich geworden, weshalb ich mich letztlich dazu entschieden habe, meine Position in Form von diesem Blog-Beitrag zu teilen.
Nele und Joscha formulieren in Ihrem Aufruf sechs “Hader-Punkte”, die ich im Beitrag nachfolgend als Einbettung und Zitat eingefügt habe, bevor ich mich auf die Punkte beziehe.
Die sechs „Hader-Punkte“ 📜
(1) In der KI-Debatte geht es zu viel um digitale Tools und um das Zeigen von Anwendungen, die an sich nicht besonders schwer zu bedienen sind. Dazu werden oft ganze Fortbildungstage veranschlagt. Es fehlt damit an Fortbildungszeit für Themen, die pädagogisch und gesamtgesellschaftlich angesichts der Krise unseres Bildungssystems und unserer Gesellschaft deutlich wichtiger wären.
(2) Der Fokus auf KI als Werkzeug steht dem Fokus auf Lernen im Weg. Aspekte der Kompetenzorientierung werden ebenso (zu) wenig in den Blick genommen wie fachdidaktische Fragen.
(3) Aufgrund der Omnipräsenz von KI und der erwünschten raschen Anwendung/Implementierung gerät die dringend nötige Veränderung der Lernkultur und Lehr-/Lernkonzepte wie beispielsweise das selbstgesteuerte Lernen oder Individualisierung in den Hintergrund. Die Verknüpfung mit KI scheint oft mehr „pädagogisches Feigenblatt“ als tatsächlicher Veränderungswille zu sein.
(4) Der empirische Beleg der Wirksamkeit von KI-Tools im Unterricht steht noch aus, weshalb didaktische Empfehlungen und angepriesene Tools aus unserer Sicht mehr Skepsis vertragen könnten.
(5) Die mit KI einhergehende (zurückgekehrte?) Toolifizierung in der Bildung versperrt den Blick auf die viel wichtigere Frage, wie wir gutes Lernen in einer zunehmend von KI-geprägten Welt gestalten können.
(6) Im Fokus stehen sehr oft Tools profitorientierter internationaler Konzerne, deren Geschäftsmodelle von Intransparenz geprägt sind. Auch mangels Alternativen fließt derzeit viel öffentliches Geld in privatwirtschaftliche Firmen anstelle Investitionen in eine demokratisch kontrollierte, öffentliche KI-Infrastruktur zu tätigen.
Die kompletten Ausführungen sind in den Blog-Beiträgen von Nele und Joscha zu finden. Dort sind auch alle weiteren Beiträge und Kommentare im Rahmen der Diskussion zu finden.
Meine Gedanken und Überlegungen 🤔
Bei der Betrachtung der „Hader-Punkte” stimme ich in vielen Bereichen überein und gehe bei den Punkten grundsätzlich mit, wenngleich ich bei einzelnen Aspekten anderer Ansicht bin.
Starker Fokus auf den KI-Tools ⚒️
Auch ich bemerke, dass in der gegenwärtigen KI-Debatte die KI-Tools selbst im Fokus stehen – hier natürlich vornehmlich ChatGPT, aber auch einige weitere KI-Tools, die speziell für den Bildungsbereich entwickelt wurden.
Dieser Fokus ist trotzdem nicht gänzlich unberechtigt, angesichts des erheblichen Potenzials, das KI-Tools zur Entlastung von Lehrkräften bei der Unterrichtsvorbereitung, -planung und Materialerstellung bieten.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, welche Zeitgewinne sich beim zielgerichteten Einsatz von KI-Tools erzielen lassen. Von der Erstellung maßgeschneiderten Aufgaben und differenzierter Informationstexte hin zur Unterstützung bei Feedback und Bewertung – das Entlastungspotenzial ist enorm.
In Hinblick auf die hohe und wohl weiter steigende Arbeitsbelastung im Lehrberuf ein äußert wichtiger Aspekt in der KI-Debatte und zeitgleich eine Antwort auf eine der größten Herausforderungen für das Bildungssystem.
KI-Debatte in Hinblick auf weitere Herausforderungen 👩💻
Wenngleich dies nicht von den weiteren gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen ablenken darf, die beschrieben werden. Ich denke hier unter anderem an die starke Zunahme von Falschnachrichten (Fake News) durch generative KI, was zahlreiche weitere gesellschaftliche Probleme mit sich bringt.
Des Weiteren kommt mir das Auftreten von inhaltlichen Fehlern bei generativer KI in den Sinn, wofür sensibilisiert werden muss. Auch Verzerrungen in KI-Systemen (KI-Bias), was zur Verbreitung von Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierung führen kann, ist ein sehr wichtiges Thema, das stärker in den Fokus der KI-Debatte gerückt werden muss.
Diese Probleme und Herausforderungen müssen sowohl im Unterricht als auch in Fortbildungen für Lehrkräfte aufgegriffen werden und stärkeren Einzug halten.
Veränderung der Arbeitswelt und Auswirkungen für Schulen 🎓
Als Lehrkraft im berufsbildenden Bereich habe ich zudem die sich rasant verändernde Arbeitswelt im Blick. Dies beobachte vornehmlich bei meinen Marketing- und E-Commerce-Klassen, deren Berufsfelder als Teil der Digitalbranche natürlich besonders stark von der aktuellen Entwicklung betroffen sind. Dies hat wiederum unmittelbare Auswirkungen auf die zu vermittelnden Fachinhalte im Unterricht.
Nicht nur die entsprechenden Lehrbücher, sondern auch die Lehrpläne und Stundentafeln sind dadurch teilweise überholt. Hier bedarf es aus meiner Sicht einer zeitnahen Aktualisierung. Ein Aspekt, der in meiner Wahrnehmung gerade kaum Beachtung findet.
Fehlende Kompetenzorientierung 🧭
Wenn es um den aktiven Einsatz von KI im Unterricht mit den Schüler:innen geht, stimme ich vollständig zu: Der Schwerpunkt liegt hier deutlich zu stark auf den KI-Tools selbst und zu wenig auf der Förderung von zukünftigen Schlüsselkompetenzen. Und es tut sich natürlich die Frage auf, welche Kompetenzen hier zukünftig von Relevanz sein werden.
Der allgemeine Begriff „Medienkompetenz“ wird hier natürlich immer wieder ins Spiel gebracht. Zudem drängt sich mir das 4K-Modell des Lernens mit den sogenannten „vier Kompetenzen für das 21. Jahrhundert” auf – Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken und Kreativität.
Status Quo der KI-Infrastruktur 🎛️
Akute Bedenken habe ich aktuell bezüglich der bereitgestellten KI-Infrastruktur im Bildungsbereich. Hier scheint gerade eine Art Flickenteppich zu entstehen, sowohl auf Schul- als auch auf Länderebene. Dies betrifft nicht nur die Beireitstellung entsprechender Tools, sondern auch Regelungen im Umgang mit KI.
In meinen Fortbildungen beobachte ich in diesem Zuge immer wieder eine große Verunsicherung, was den rechtssicheren und vor allem datenschutzkonformen Einsatz von KI im Schul- und Unterrichtskontext angeht.
Da vielerorts eine KI-Infrastruktur fehlt, bleibt im Zweifel keine andere Wahl, als selbstständig aktiv zu werden und auf bestehende Angebote zurückzugreifen. Hier rückt natürlich wieder ChatGPT in den Fokus (oder eben andere kostenpflichtige Dienste wie fobizz oder schulKI, die ChatGPT letztlich über eine Schnittstelle anbieten), auch weil es sich hierbei weiter um die leistungsstärkste generative KI handelt, zumindest für den Moment noch – einige leistungsstarke Alternativen sind bereits verfügbar oder in der Entwicklung.
Wenngleich ich folglich eine demokratisch kontrollierte, öffentliche KI-Infrastruktur für sehr erstrebenswert halte, müssen wir uns an dieser Stelle aber vielleicht ehrlich machen. Werden wir zukünftig tatsächlich andere KI-Modelle nutzen, die demokratisch kontrolliert und transparent sind oder greift die überwiegende Mehrheit weiter auf die Angebote der großen Tech-Konzerne zurück, weil diese einfach die besten Ergebnisse liefern? So ist es doch letztlich auch bei der Nutzung der Google-Suche oder Messenger-Diensten wie WhatsApp, trotz transparenter und datenschutzkonformer Alternativen. Schnell rückt ein solch edles Ansinnen dann in den Hintergrund, weil am Ende doch das beste Nutzungserlebnis zählt.
Abschließende Gedanken 💭
Liebe Nele, lieber Joscha,
an dieser Stelle vielen Dank für die Einladung zum gemeinsamen Nachdenken über dieses wichtige Thema. Vieles in dieser immer noch relativ neuen Debatte um KI ist weiterhin im Fluss und ich halte den Austausch vor diesem Hintergrund für enorm wichtig.
Gerade weil es zum jetzigen Zeitpunkt noch wenig valide Forschungsergebnisse zum Thema gibt, ist die von euch beschriebene Neugier, Begeisterung und Experimentierfreude für mich einer der Schlüssel in der aktuellen KI-Debatte. Die daran anschließende Reflexion sowie der zielgerichtete Dialog und Erfahrungsaustausch helfen in diesem Zuge, wichtige Erkenntnisse zu gewinnen.
Gleichsam bin ich bei aller berechtigter Bedenken weiter sehr positiv gestimmt und sehe KI wahrscheinlich wie ihr als eine große Chance für den Bildungsbereich. Es gilt nun, diese Chance weiter wahrzunehmen und den Prozess aktiv mitzugestalten.
Wie nehmt ihr die aktuelle KI-Debatte wahr? Wie steht ihr zu diesen Punkten? Welche weiteren Aspekte sind in der Debatte wichtig?
Nehmt an der Diskussion unter dem Hashtag #KIBedenken teil oder teilt eure Gedanken in den Kommentaren.